Meilensteine des IPP München

2010 bis heute

Handlungsbefähigung und Gewalt in Institutionen

Das Jahr 2010 ist für das IPP von besonderer Bedeutung. Einerseits, weil mit dem SFB 536 eine 20jährige Erfolgsgeschichte im Bereich Grundlagenforschung ihren Abschluss fand. Andererseits, weil in diesem Jahr die Weichen für zwei neue Schwerpunktfelder gelegt werden, die den Forschungsalltag im IPP heute noch stark prägen. …

Gewalt und sexueller Missbrauch in Institutionen

2010 war ein Jahr, in dem nicht zuletzt wegen der Möglichkeiten des Internets immer mehr Menschen den Mut fanden, die an ihnen begangene Gewalt öffentlich zu machen. Der ersten Anfrage 2011 (Kloster Ettal) folgen noch viele Weitere: Kremsmünster, Odenwald,  eine kleine Heimstudie in München, eine große Heimstudie in Bayern, weitere katholische, evangelische und auch nicht kirchliche Kontexte, Missbrauch im Rahmen von Therapie und im Kontext von Freizeitprojekten. Neben klassischen Aufarbeitungsstudien werden von Beginn an zentrale Fragen der Entstehung von Gewalt in Institutionen, auch im Rahmen von öffentlich geförderten Kontexten, beforscht und Impulse für eine adäquate Präventionspraxis gelegt. Zusätzlich wird Gewalt auch unter einer Extremismus-Perspektive erforscht und Gewaltpräventionsmaßnahmen in der Praxis begleitet.

Handlungsbefähigung

Nach vielen Jahren Forschung zu Belastungs-Bewältigungsprozessen wurde ein sechsdimensionales Modell der Handlungsbefähigung entwickelt. Ziel ist, zu begreifen, welche Umstände Menschen zu einer gelingenden Lebensführung befähigen und welche Widerstandsressourcen ihnen bei der Bewältigung unerwarteter Herausforderungen behilflich sein können. Dieses Modell wurde inzwischen in einer Vielzahl von Studien getestet (N=4800).

Als Beispiel dient ein Längsschnittprojekt in allen stationären Einrichtungen des SOS Kinderdorf e.V., das nach einer Pilotphase 2014 begann und in Kooperation mit dem SPI des SOS e.V. bis heute weitergeführt wird.

Mit dem 1.1.2019 verändert sich die Leitungsstruktur. Neben Dr. Florian Straus übernimmt Helga Dill eine Leitungsposition und ist als Geschäftsführerin nunmehr für den operativen Teil des IPP verantwortlich.

1998–2010

Zusätzlicher Praxisschwerpunkt „Zivilgesellschaft und bürgerschaftliches Engagement“

Der Umzug 1997 innerhalb der Münchner Innenstadt von der Sendlinger Str. in die Ringseisstr sollte dem gewachsenen Team effektiveres Arbeiten ermöglichen. Zugleich wurde perspektivisch die Möglichkeit geschaffen, die Kooperation mit der Förderstelle Bürgerschaftlichen Engagements (FöBE) durch räumliche Nähe zu intensivieren. …

Die Forschungen rund um Gemeinsinn und bürgerschaftliches Engagement für die Zivilgesellschaft führten ab 2004 zu einem Engagement bei FöBE. Seit dieser Zeit sind IPP und FöBE organisatorisch und konzeptionell, beispielsweise über regelmäßige gemeinsame Klausuren, enge Kooperationspartner.

Zwischen 1998 und 2010 verändert sich vor allem die Schwerpunktsetzung innerhalb der bereits erschlossenen Forschungsfelder.

Drei sollen exemplarisch benannt werden

Es gab eine Reihe von Praxisforschungsprojekten zum Thema Partizipation in Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit und in der stationären Heimerziehung.

Im Bereich Gesundheit und Arbeit gibt es in zwei Projektkontexten (Pragdis und Debbie) eine enge Zusammenarbeit mit der TU Dortmund, der Gaus GmbH und FIAP und weiteren Partner*­innen.

In der Beratung gewinnt der Bereich des Qualitätsmanagements an Relevanz. Aus einer Kritik an Konzepten wie DIN ISO entstand die Idee Qualitätsmanagement als eine partizipativ geprägtes alternatives Verfahren zu entwickeln. Angelehnt an das EFQM geht es um die Idee der Qualitätsweiterentwicklung. Dieses System wurde zusammen mit Prof. Dr. Wolfgang Stark und Monika Bobzien modellhaft in Bereichen des Stadtjugendamts getestet und nach 1998 in mehreren hundert Einrichtungen implementiert. Ein besonders erfolgreiches und zugleich anspruchsvolles Projekt wird beispielsweise seit 2000 in der arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit (Berufsbezogenen Jugendhilfe) durchgeführt. Hier wurde nach den Grundsätzen des partizipativen und entwicklungsorientierten QMs ein komplettes QM System (von Schulungen über Audits, Gütesiegel  …) in ein Praxisfeld implementiert.

Dabei war es von Beginn nicht das Ziel einen Markt zu erschließen. Dem IPP geht es in diesem Bereich vor allem um die Frage und Testung, wie sich eine anspruchsvolle Idee der ständigen Weiterentwicklung in Einrichtungen unterschiedlichster Art umsetzen lässt.

1991–1997

(K)eine Umbenennung – Ausweitung der Arbeitsfelder

Diese starke Bedeutung der Beratung führt, anlässlich des Umzugs in die Innenstadt Münchens, zu einer kleinen Umbenennung. IPP steht nunmehr für Institut für Praxisforschung und Projektberatung. Ein „G“ für Grundlagenforschung kann man gedanklich anfügen. …

Elemente einer Grundlagenforschung sind bereits 1985 mit der Aufnahme eines Projekts des IPPs in das DFG Schwerpunktprogramm  „Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens“ sichtbar. 1989 wurde Grundlagenforschung mit dem Eintritt in den Sonderforschungsbereich Entwicklungsperspektiven von Arbeit endgültig zur dritten Säule des IPP. Dieses Projekt zur Identitätsentwicklung im Angesicht  von Erwerbsarbeit erfolgt in enger Kooperation mit dem Institut für Sozialpsychologie an der LMU München, betreut von Heiner Keupp. Es folgen 20 Jahre Zugehörigkeit zu den beiden sozialwissenschaftlichen Münchner Sonderforschungsbereichen 333 unter Leitung von Prof. Dr. Karl Bolte/Prof. Dr. Lutz und ab 1999 dem 564 unter Leitung von Prof. Dr. Ulrich Beck („reflexive Modernisierung“). Die beiden damals vom IPP tatkräftig unterstützten Projekte beschäftigen sich vor allem mit Fragen personaler und kollektiver Identitätsentwicklung.

Schon vor der Jahrtausendwende ist eine breite Aufstellung ein Markenzeichen des IPP. Ziele der Supervision, Mediation und Organisationsberatung werden mit Fachkräften aus diversen Disziplinen (neben Psychologie und Soziologie auch Architektur, Pädagogik oder Sozialarbeitswissenschaften) in Angriff genommen. Unter dem Grundsatz Synergien herstellen bleiben die Praxis- und Grundlagenforschung seit jeher eng verwoben. Wenn möglich, werden die Mitarbeiter*­innen in beiden Arbeitsschwerpunkten eingesetzt.

Einige bis heute relevanten Forschungskontexte  stammen aus den 90er Jahren und bilden für Teilfragestellungen in anderen Projekten den Erfahrungs- und Thesenhintergrund.

Beispiele sind

  • Gesundheitsthemen, sowie die Belastungs-Bewältigungsperspektive (anfangs im Rahmen des Münchner Public Health Forschungsschwerpunkts)
  • Identität und Narration
  • Netzwerk und soziale Unterstützung
  • Sinn von Arbeit und Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt
  • Neue Anforderungsprofile in der Altenhilfe
  • Regionale Steuerung von Hilfen und Maßnahmen

1983–1991

Die Anfangsjahre

1983 wird das IPP als Institut für psychosoziale Praxisforschung gegründet. Die Analyse der Lebenswelt von Menschen, die psychosoziale Unterstützung in Anspruch nehmen, spielt in den ersten Jahren weiterhin eine zentrale Rolle. Der bis heute noch eng mit dem IPP verbundene Außerdem prägt Prof. Dr. …

Heiner Keupp (Sozialpsychologie) als externer Berater bereits in den Anfangsjahren eine sozialpsychologische Ausrichtung des IPP.

Zu Beginn forscht das IPP primär mit qualitativen Methoden. Im Laufe der späten 80er Jahre kommen mit neuen Forschungsfeldern (meist im Bereich Kinder- und Jugendhilfe) auch quantitative Methoden hinzu.

In den 80er Jahren beginnt auch die bis heute ebenfalls bestehende, enge Zusammenarbeit mit Partner*­innen aus der Kinder- und Jugendhilfe.  Exemplarisch steht dafür jene im Bereich der Jugendsozialarbeit: mit der EJSA, LAG Jugendsozialarbeit und dem bayerischen Sozialministerium.  Die Frage, wie man benachteiligte Jugendliche auf dem Weg in eine gelingende berufliche Zukunft sinnvoll begleiten kann, ist bis heute von hoher Relevanz. Es beginnen bald die ersten Studien zur Stadtplanung.  Neu ist Ende der 80er Jahre, dass die Mitarbeiter*­innen des IPP stärker auch Rollen des/der Berate$i*­in, Fortbildne$i*­in und Projektentwickle$i*­in. Einnehmen.

1979–1982

Die Faszination Praxisforschung

Die Gründer*­innen des IPP, Renate Höfer, Wolfgang Gmür und Florian Straus arbeiten Ende der 1970er Jahre zusammen mit Wolfgang Buchholz an einer Studie zur Lebenswelt von Unterschichtfamilien. Die untersuchten Familien sind alle in den 70er Jahren in die gerade entstehende Münchner Trabantenstadt Neuperlach gezogen. …

Im Fokus stehen ihr Zurechtfinden, Probleme im Familienalltag sowie das Aufsuchen professioneller Beratungseinrichtungen und des eigenen Netzwerks als Unterstützungsanker.

Das Projekt war, auch aus heutiger Sicht, von einer hohen konzeptionellen und methodologischen Vielfalt geprägt. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse kam die Anschlussfrage auf, wie neu erworbenes Wissen praxisnah umgesetzt werden kann. Die Faszination im gesamten Arbeitsprozess ließ die Idee reifen, ein eigenes Forschungsinstitut zu gründen.